Wie würde Jesus heute seine Kirche Beten lehren?

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[German translation by Helge Seekamp of my post “How would Jesus teach the church to pray today?”.]

Zwei Themen ziehen sich durch das Gebet, das Jesus seine Jünger lehrte:

  1. Unser Vater in den Himmel, geheiligt (hagiasthētō) sei dein Name; dein Königtum komme; dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden (Matt 6:9–10).

Sie sollten beten, dass YHWH durch den Eingriff als König in Israels Geschichte seine große Anerkennung unter den Völkern wiedergewinnen möge. Die erste Bitte ist ein Echo auf Helsekiel 36,23 LXX:

Denn ich will meinen großen Namen, der vor den Heiden entheiligt ist, den ihr unter ihnen entheiligt habt, wieder heilig machen (hagiasō to onoma mou…). Und die Heiden sollen erfahren, dass ich der HERR bin,… wenn ich vor ihren Augen an euch zeige, dass ich heilig bin.

Hier finden wir einen exzellenten Weg, über die Mission Jesu nachzudenken. Israel hatte den Namen Gottes in Schande gebracht unter den (Heiden-) Völkern.

Der Hauptbeleg dafür ist der: Das Desaster römischer Besatzung. Durch seine Treue bis zum Höhepunkt des Todes an einem römischen Kreuz sollte Jesus diese verquere Situation umkehren und so dem Namen Gottes wieder Ruhm bringen (vgl. Phil. 2, 6-11).

Es ist wieder diese Logik der Errettung: Heiden würden das Gericht und die Rettung Israels sehen – Gottes Wille würde so auf der Erde wie im Himmel getan; sie würden an Recht oder Gerechtigkeit des israelitischen Gottes glauben, und so selber gerettet, indem sie Teil einer neuen Gemeinschaft würden, die Zeugnis dafür abgäbe, dass der Triumph YHWHs über die (Mittelmeer-)Völker im Kommen sei.

  1. Gib uns unser tägliches Brot; vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben und entschuldigen; und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem, der böse ist. (Matt. 6:11-12)

Der zweite Teil des Gebetes nimmt die Herausforderungen in den Blick, denen sich die Jünger während dieser verrückten historischen (antiken) Zeiten zu stellen haben, in der YHWH die Heiligkeit seines großartigen Namens öffentlich rechtfertigen würde. Wie Hesekiel es formulierte, die Völker würden wissen, dass Israels Gott kyrios (Herr) sei, wenn er unter seinem Volk öffentlich sichtbar geheiligt sei.

Der zweite Teil des Gebetes hält deshalb die Tatsache fest, dass die Jünger selbst Instrument – oder wenigstens Teil – der Erfüllung der Bitten des ersten Teils werden. Sie würden materielle Nöte durchleben, gegen sie würde man sich versündigen, ihr Glaube in Gottes neue Zukunft würde ernsthaft getestet durch böse Menschen. Deshalb wurden sie gelehrt, gegen diese Dinge zu beten.

Das war damals.

Lebhafte Gespräche mit meiner Patentochter und ihrer Schwester, beide in ihren Zwanzigern, in den letzten beiden Wochen in Neuseeland erinnerten mich daran, dass die engstirnige, parochiale, ungebildete, gesetzliche und intolerante Haltung von Christen einer der größten Gründe dafür ist, warum Gott in dieser Zeit solch einen schlechten Ruf hat.

Es gibt sicher noch andere Probleme, natürlich. Moderne Menschen haben eine Schwäche für Jesus, sie sind aber abgestoßen vom zornigen, gewalttätigen Gott, der, so scheint es zumindest, große Kapitel der Bibel bewohnt. Und in der Regel sind sie ziemlich beeindruckt von der alternativen Story über das Leben und den Kosmos, den die Naturwissenschaften als Ersatz für die biblischen Berichte angeboten haben.

Dennoch denke ich, dass ist eine bestechende Analogie besteht zwischen der Situation, der Jünger im ersten Jahrhunderts gegenüberstanden und der Situation, mit der die Kirchen des Westens heute konfrontiert sind. Die historischen Details sind unterschiedlich: wir haben nicht dieselbe Aktion göttlich-politischer Intervention vor Augen. Aber ein Gebet um die Wiederherstellung eines guten Rufes für den biblischen Gott im mehr und mehr post-christlichen Westen, durch Gericht und Rettung seiner Leute, um es mal so zu sagen, scheint völlig berechtigt zu sein.

Wie im Vater unser, das Jesus seine Jünger lehrte, geht alles von einem einzigen theologischen Ausgangspunkt aus los – um die konkrete Sorge eines treuen Volkes um den „Ruhm“, das „Ansehen“ seines Gottes in der Welt. Aber dann denke ich, ist es nötig, dem Gebet eine etwas andere Richtung zu geben. Jesus lehrte seine Jünger, zu beten dass das Königreich Gottes kommen solle. Der weiteste biblische Horizont für diese Königreichs-Hoffnungen war der jahrhundertealte Konflikt zwischen Israel und heidnischen Weltherrschern, der auf die Spitze getrieben war mit der Abwehr des götzendienerischen Rom. Der Kontext heutiger Kirchen, falls man überhaupt wahrnimmt, wie weit man den Ruhm Gottes verfehlt, ist geprägt von einer extrem problematischen Beziehung der Kirchen mit dem globalen Säkularismus.

Anstatt also gedankenlos das Jesus-Gebet aus dem Kontext zu reißen, sollten wir bedenken, wie wir es als Vorlage nutzen:

  1. Als Gebet um die gegenwärtige Reputation des biblischen Gottes
  2. das ein wirkliches Eingreifen in unsere eigene, sehr andere Welt und ihre Transformation vor Augen stellt und
  3. das darum bittet, dass die Kirchen als Agenten dieses Anliegens geformt und bewahrt werden.

Post-modernes Vaterunser:

Ewiger Schöpfer-Gott im Himmel,

möge dein Name in unserer säkularen Welt

wieder für Glanz stehen und für Aufsehen sorgen.

Zeige dich deiner bedrückten, weltweiten Menschheit als der gütige Richter der ganzen Erde.

Nimm uns heute die Dinge, die wir nicht brauchen.
Vergib uns unsere Sünden, wie wir vergeben denen, die gegen uns sündigen.
Führe uns in eine fantasievolle Erneuerung der Mission deiner Leute

und erlöse uns von der Belanglosigkeit.

Denn dein ist der Kosmos, das Leben und alles Wunderbare.

Für immer und ewig. Amen

Noch nicht ganz so geschliffen wie ich es gerne hätte, aber hoffentlich bringt es den heutigen Kontext gut raus.